Ein neuer Tanzstil entwickelt sich
Die Anfänge des Barocktanzes liegen im frühen 17. Jahrhundert, als die Tänze, ursprünglich aus Italien kommend, in Frankreich aufgenommen und weiterentwickelt wurden. Dabei überschneidet sich das Frühbarock (bis ca. 1650) nicht nur kulturgeschichtlich, sondern auch tänzerisch mit der Renaissance.
Neuerungen wie das Auswärtsdrehen der Füße führten nach und nach zu einem neuen Tanzstil, der sich im Hochbarock (ca. 1650 bis 1720) zum neuen höfischen Tanz formte. Hier fand der Barocktanz zunächst als höfisches Ballett (ballet de cour) unter dem "Sonnenkönig" Ludwig XIV. (1643-1715) des Absolutismus seine erste große Blütezeit, die 1661 in der Gründung der "Académie royale de danse" (Königliche Akademie des Tanzes) gipfelte.
Die Tänze, die von der Musik Jean-Baptiste Lully begleitet und von Molière teilweise komödiantisch inszeniert wurden, bestritten übrigens anfangs ausschließlich die maskierten männlichen Angehörigen des Hofes. Erst ab 1681 wurden auf Veranlassung des Direktors der Tanzakademie, Pierre Beauchamp, in der Inszenierung des Bühnenstücks "Le Triomphe de l'amour" (Der Sieg der Liebe) erstmalig auch Berufstänzerinnen zugelassen. Er war es auch, der 1669 die "Académie royale de musique" und das "danse d'école" (akademisches Ballett) der späteren Pariser Opéra gründete. Hier soll er auch die fünf Ballett-Positionen mit den nach außen gedrehten Beinen festgelegt haben.
Aufzeichnungen über die ganz frühen Barocktänze gibt es aber nur sehr spärlich. Für die zweite Hälfte des 17. Jahrhunderts wurden bisher nur drei französische Bände mit Kontratänzen und einem Bühnentanz entdeckt. Ab 1700 wurden vor allem die immer komplexer werdende Solotänze und Solopaartänze in der sogenannten Beauchamp-Feuillet-Notation veröffentlicht und festgehalten, so dass sich viele der Choreografien auch heute noch gut rekonstruieren lassen. Ergänzt wurde diese erste große Notation danach vor allem durch Pierre Rameau mit seinem 1725 veröffentlichten Buch "Le Maître à danser".
... und mit ihm das Ballett
Mit seiner berühmten Notation war Raoul-Auger Feuillet auch der erste Tanzmeister, der die fünf Fußpositionen Beauchamps veröffentlichte. Damit stellte er den Interessierten eine erste praktische Terminologie und Systematik des Balletts zur Verfügung. Das Ballett in seiner heutigen Form entwickelte sich indes erst später, etwa vom Ende des 18. Jahrhunderts bis Anfang des 20. Jahrhunderts. Die französischen Begriffe, die Feuillet in seiner Chorégraphie damals aus der Tanztechnik seiner Zeit übernahm, besitzen jedoch bis heute weltweit Gültigkeit, auch wenn sie in den Sprachen des Barocktanzes und Balletts (ital. "balletto" von "ballo" Tanz, franz. "ballet") teils unterschiedlich verwendet werden.
Weil die vielen Nichtberufstänzer den hohen Anforderungen des höfischen Balletts und professionellen Theatertanzes auf Dauer nicht folgen konnten, wandten sie sich mit der Zeit den einfacheren Gesellschaftstänzen zu. Diese fanden im 18. Jahrhundert ihre größte Ausprägung und wurden bis ins Rokoko (auch Spätbarock, ab ca. 1720) gerne getanzt. Sie beruhten auf einem kleineren Teil des bisher entwickelten komplexen Schrittmaterials und der Bewegungstechniken.
Gesellschaftstanz am Hofe
Anfangs wurden die Tänze in strenger Rangordnung in der Kolonne mit dem König an der Spitze getanzt, etwas später wurde dann das Menuett (besonders das "Z-Menuett") unter den Paartänzen beliebt, und begann, die Ballsäle zu beherrschen. Entwickelt hat sich das Menuett, das die bis dahin vorherrschende Courante ablöste, übrigens aus einem französischen Volkstanz, der aus Poitous im Südwesten Frankreichs kam. Wie viele andere französische Nationaltänze auch wurde es später für die strengen Regeln des Hofs umgeformt, auch wenn es je nach Vorgabe improvisiert werden durfte, und erreichte wie das höfische Ballett ein sehr hohes Niveau. Der Barocktanz schuf mit seinem umfassenden Schrittrepertoire nicht nur eine ganz besondere Kunstform, sich zu bewegen, sondern beeinflusste und prägte auch das gesellschaftliche Selbstverständnis, zum Beispiel in der Art, wie man sich im Raum täglich bewegte, saß und stand, oder wie man sich dem anderen gegenüber angemessen, das heißt, gemäß der Etikette, verhielt (Referenzen) – dass dies unter den kritischen Blicken eines nicht immer wohlwollenden Publikums nicht immer eine leichte Übung war, kann man sich auch heute noch lebhaft vorstellen.
Vom Kontratanz zum Walzer
Ab 1684 wurden in Frankreich die sogenannten Kontratänze beliebt (abgeleitet von den englischen "Country Dances", Contredance anglaise oder einfach: Anglaise), die zunächst im Kreis, Quadrat oder in der Gasse getanzt wurden. In England waren diese leicht zu lernenden Tänze als traditionelle Tänze bereits seit dem 16. Jahrhundert bekannt. 1651 fasste der Verleger und Musiker John Playford in seinem Buch "The English Dancing Master" über einhundert solcher Tänze zusammen, 1728 enthielt seine ständig überarbeitete Schrift sogar schon an die tausend Tänze.
Es waren vor allem die französischen Tanzmeister, die den höheren Ständen die neue Art zu tanzen, die Kunst der "Belle Danse", in allen, vor allem nordeuropäischen Hauptstädten, beibrachten. Wie in Frankreich wich der komplexe Barocktanz besonders ab der zweiten Hälfte des 18. Jahrhunderts auch in Deutschland dann zunehmend dem einfacheren Gesellschaftstanz, was eine Reihe von hiesigen Kontratanz-Sammlungen aus der Zeit belegt. Auch gab es im deutschsprachigen Raum eine besondere Tradition freier Paartanzformen, die häufig eine engere Tanzhaltung und kompliziertere Handhaltung ("Allemande") beinhalteten, und die später zum berühmten Rundwalzer (Ende des 18. Jahrhunderts) führen sollten.
Quellen (u.a):
www.historische-tanzkunst.de
www.horstvoelz.de (PDF)
www.les-plaisirs.de